


„Alice im Wunderland“ habe ich immer eher distanziert gegenübergestanden. Das konnte auch die beeindruckende Ausstellung zum Thema in der Hamburger Kunsthalle vor einigen Jahren nur im Ansatz verändern. Aus irgendeinem Grund kam es mir jedoch in den Sinn, Alices Geschichte doch einmal im Original zu lesen. Ich entdeckte, dass „Alice’s Adventures in Wonderland“ eine Fülle von Ansatzpunkten für den Kunstunterricht bieten. Schon im 1. Kapitel geschah es:
Alice ergreift beim Hinunterfallen ein Marmeladenglas. Auf dem Etikett steht: „Orangen-Marmelade“. Doch zu ihrer großen Enttäuschung war das Glas leer.
Dies führte zum Kunstunterrichtsthema: Was würde auf deinem Marmeladenglas-Etikett stehen? Etwas Verrücktes, aus dem Wunderland, etwas, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt, und schon gar nicht in einem Marmeladenglas …

Bei dem erfundenen Inhalt der Gläser könnte es um eigene Wünsche gehen. Da aber Weihnachten bevorstand, bot es sich an, nicht die eigenen, sondern die Wünsche anderer Menschen zu thematisieren. Zum Beispiel die Wünsche der Eltern. Die Kinder sollten also überlegen, was ihre Eltern sich wünschen, etwas, das nicht so leicht zu haben und nicht zu kaufen ist. Diese Wünsche wären dann in den Marmeladengläsern – nicht sichtbar, denn Wünsche kann man ja nicht sehen. Aber auf dem Etikett steht ja normalerweise, was in einem Konservenglas drin ist. Also machen wir Etiketten für die Wünsche-Gläser. Die Etiketten haben dabei die gleiche Funktion wie normale Etiketten – darum müssen sie auch die gleichen Anforderungen erfüllen und nach den gleichen Prinzipien gestaltet sein wie übliche Etiketten. Also schauten wir uns die normalen, auf den von den Kindern mitgebrachten Konservengläsern noch vorhandenen Etiketten genau an und listeten auf: Was alles zu einem Etikett gehört.


Durch die Abfolge der Unterrichtsschritte wurde die Fantasie der Kinder „gelockert“ und auf das thematische Ziel gerichtet wieder konkretisiert.
Die Kriterien verdeutlichen die Anforderungen der Aufgabe und sind ebenso der Maßstab für die spätere (Selbst-)Bewertung.
Die Etiketten auf handelsüblichen Gläsern bestehen meistens aus Fotografien realer Gegenstände sowie aus computergenerierten Schrift-Elementen und Bildern. In Anlehnung daran legten die Kinder Bilder aus echten Gegenständen, ergänzt durch Zeichnungen, gebastelte „Marken“ und am PC formatierte Schriftzüge. Diese gelegten Bilder wurden fotografiert, ausgedruckt und auf die Gläser geklebt.


Hier die Ideen der Kinder, welche Wünsche ihre Eltern haben könnten:

rechts: Ein Hund, der meinem Papa bis zur Brust geht.

Mitte: Doppelgänger, die für die Eltern sprechen und arbeiten, damit sie nicht so k.o. sind.
rechts: Ein Engel, der den Eltern alle Wünsche erfüllt.

Mitte: Die Eltern wünschen sich mehr Zeit, für Yoga und zum Halli Galli spielen.
rechts: Ein Meer zum Schwimmen, also ein „Schwimmmeer“ .

Mitte: Dass meine Brüder Mama nicht nerven.
rechts: Meine Mama wünscht sich eine Tür ohne Schlüsselloch, damit meine Schwester da nicht immer den Schlüssel falsch reinsteckt und Mama ihn wieder rausprockeln muss.

Mitte: Dass mein Bruder und ich unser Abitur bestehen.
rechts: Ein unsichtbares Haus, damit die Einbrecher es nicht finden.

Mitte: Einen Herd, der von alleine kocht.
rechts: Dass meine Schwester und ich unsere Spielsachen aufräumen.

rechts: Dass mein Bruder nicht immer so an einem reißt.
Um die Ideen für die „Rezipienten“ – also die Eltern – verständlicher zu machen, wurde auch das Prinzip der rückseitigen Etiketten aufgenommen. Auf der Rückseite stehen in der Regel sachliche Informationen über den Inhalt. Wir schauten uns wiederum die normalen Etiketten an und übernahmen die Rubriken: Inhalt, Zutaten, Mindesthaltbarkeitsdatum, Hersteller. Die Kinder schrieben die Angaben auf Linienblätter. Diese wurden am Kopierer von den Kindern unter Anleitung selbst verkleinert (Zoom 50%) und auf farbiges Papier gedruckt.

Für die Ausstellung der Wunderland-Marmeladengläser in der Schule blieb nur ein Tag Zeit, bevor die Gläser zum Verschenken verpackt und mit nach Hause genommen wurden, denn Weihnachten stand vor der Tür. Selbstverständlich kam als Präsentationsform nur ein Regal in Frage – eben genau wie bei Alice!

In einer Ausstellung im Victoria-and-Albert-Museum London traf ich auf Kunstbeispiele, die nach dem gleichen Prinzip arbeiten: von Damien Hirst und Michael Druks.
© Unterrichtsidee: Nicola Rother 2017